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Die Buchvorstellung "Integration - Ein Protokoll des Scheiterns" von Hamed Abdel-Samad

Ein Bericht von Florian Elz

Ein Bericht von Florian Elz über die Buchvorstellung an der Uni Mainz von Hamed Abdel-Samad

Die Hochschulgruppe der Giordano Bruno Stiftung (GBS) Mainz in Kooperation mit der GBS Mainz/Rheinhessen lud am 2. Mai zur Buchvorstellung ins Audimax der Universität Mainz. Der aufgrund seiner islamkritischen Positionen und Auftritten bei der AfD umstrittene Referent Hamed Abdel-Samad stellte hierbei sein neues Buch 'Integration – Ein Protokoll des Scheiterns' vor. 

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn bildete sich eine Schlange wegen der Sicherheitsvorkehrungen (gegen den Autor wurde eine Fatwa ausgesprochen). Als der Saal mit rund 400 Hörern gefüllt war und einige wegen Platzmangel nicht mehr reinkamen, begann die Veranstaltung gegen 20:45 Uhr.

„Integration ist immer ein Problem wenn man darüber spricht“

Hamed bedauerte, dass die Universitäten immer mehr zu Schutzräumen werden, die kontroverse Debatten meiden. Umso mehr freute er sich, vor einem großen Publikum sprechen zu können.
Heute wird über Kreuze in Behörden und den Islam debattiert. Er stellte damit zusammen die Frage, wie es sein kann, dass 5% der Muslime so stark die Schlagzeilen dominieren. Als er vor 23 Jahren nach Deutschland kam gab es kaum sichtbare Migranten. Heute ist es anders, es gibt bekannte Fußballer, Musiker, die sich individuell unter großen Anstrengungen integriert haben.
Gleichzeitig gab es Leute, die sich nicht integrieren wollten. Aber auch der Staat hat bei der Integration viele Fehler gemacht. Laut Hamed sind es im Vergleich mit den anderen Gruppen vor allem die türkisch- und arabischstämmigen Migranten, die Probleme bereiten. So gibt es zum Beispiel gerade unter jungen Türken viele Erdogan-Anhänger. Diese sind in Freiheit aufgewachsen, unterstützen aber andererseits mit der Türkei ein autoritäres Regime. Hamed sieht darin ein Versagen des Bildungssystems.

In seinem Buch bespricht er 4 Felder der Integration:
1) Strukturelle Integration (Integration in Bildungssystem und Arbeitsmarkt)
2) Kulturelle Integration
3) Soziale Integration
4) Emotionale Integration


„Einfügen, ohne laut zu werden“


1) Strukturelle Integration
Hamed führte als problematisch an, dass laut den Zahlen der Agentur für Arbeit prozentual die meisten Arbeitslosen und niedrigen Bildungsabschlüsse unter den arabisch- und türkischstämmigen Migrantengruppen zu finden sind.


2) Kulturelle Integration
Bei der der kulturellen Integration gibt es das Problem, dass der Westen wie der Islam sich jeweils an die eigenen Narben der Vergangenheit erinnert und immer wieder erinnert wird. Sei es die Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen oder die christlichen Kreuzzüge auf der anderen Seite. Andere Kulturen werden negativ porträtiert, um die eigene Identität zu schärfen.
Es gebe Kulturen die einfach nicht kompatibel sind. Auch das Argument, dies entstamme den sozialen Unterschieden wie Armut und Reichtum, gilt hier nur bedingt. Als Gegenbeispiel bringt er die Vietnamesen, „boat people“ an, die es sehr schwer hatten, aber trotzdem sehr erfolgreich waren.  Hamed hält die Geisteshaltung für entscheidend und die Eltern. Wenn Eltern eine ideologische  Mauer um die Kinder aufbauen, und sich die Kinder in Folge auch immer als Opfer fühlen, dann werden autoritäre Führer, sei es in Religion oder Politik, immer Erfolg bei diesen Menschen haben.
Ein weiteres Problem ist, dass den 4 konservativen Islamverbänden der Teppich ausgerollt wird. Damit werden (die falschen) Vorbilder geschaffen, weiter aufgewertet und progressive Leute an den Rand gedrängt. Auch werden die klassischen Fehler der Arbeitsmarktmigration wiederholt. Es gibt wieder Flüchtlingsheime, ein Ausschluss von Bildungseinrichtungen. Daraus können nur Parallelgesellschaften entstehen.

„Ich will von keiner Richterin gerichtet werden, die ihrem Kopftuch zuliebe auf das Richteramt verzichtet“

Das Kopftuch war ein großes, emotionales Thema. So ist das Kopftuch auf individueller Ebene keine politische Botschaft. Diejenigen, die es moralisch aufladen, sind allerdings problematisch.
Kein Kind trägt freiwillig Kopftuch, dies ist von den Eltern früh so anerzogen. Zum Teil auch, weil die islamische Gemeinschaft dies so fordert, auch wenn die Eltern dem eigentlich ablehnend bis egal gegenüberstehen. Das Kopftuch ist ein Problem für Frauen wie Männer, da sich damit auch Geschlechtervorstellungen verbinden, von Frauen die sich züchtig anziehen müssen, gleichzeitig aber auch dem Mann der weiblichen Reizen unkontrollierbar ausgeliefert ist. Beide Ansichten sind zu bekämpfen.


3) Soziale Integration
Hamed nannte mehrere Punkte, so ist es Standard, dass Muslime keine Nicht-Muslime heiraten dürfen. Früher gab es Migrantenviertel bei denen auch verschiedenste Migrantengruppen untereinander sich vermischten und ein paar Deutsche da waren. Heute werden die Viertel homogener und die Deutschen leben nicht mehr in diesen Vierteln. Beide Seiten haben sich bequem in ihrer Parallelgesellschaft eingerichtet.
Er kritisierte, dass die AfD Appelle immer nur an eigene Wähler richtet. Diese haben sich in ihrer eigenen Blase eingerichtet, es gibt kein Interesse daran, miteinander zu reden. Der Staat hat auch kein Interesse, den Status quo zu ändern. So will Merkel die Türkei nicht verärgern wegen des Flüchtlingsdeals. Andererseits will sie Fluchtursachen bekämpfen, exportiert aber in großer Anzahl Waffen in arabische Länder. Das wird nicht funktionieren.

„Die Integration scheitert auch an den Privilegien für die Kirchen“

Das Kirchenrecht ist noch aus einer Zeit, als die Deutschen unter sich waren und es noch keine nennenswerten anderen Religionen gab. Allerdings sind mit dem Eintreten von anderen Religionen diese Sonderrechte auch auf diese ausgeweitet worden. So sind Sonderrechte wie Beschneidungen, Schächten, Kinderehen usw. nicht hinnehmbar, welche gegen das Gesetz verstoßen. DITIB ist ein ethnisch nationaler Verein, der nur an Fördergeldern interessiert ist und jede Unterstützung dieses Vereins ist eine Aufwertung der Politik Erdogans. Auch die Islamkonferenzen, bei denen Verbände wie DITB dabei sind, sind kritisch zu sehen.


4) Emotionale Integration
Hamed schlägt vor, Ex-Muslime zu fördern. Wenn nichts getan wird, verlieren wir eine ganze Generation. Die Gesellschaft kann sich nicht leisten, eine große Bildungslücke und große Arbeitslosigkeit zu haben. Dies wird langfristig dazu führen, dass die sozialen Sicherungssysteme zusammenbrechen und dann wird es soziale Spannungen geben.
Er schloss mit den Worten, Integration ist es, sich aus seinem Migrantenkollektiv zu lösen und in Freiheit seinen Weg zu gehen.


„Der Gläubige denkt, dass Gott ihn beschützt. Der Fanatiker denkt, dass er Gott beschützen muss“


In der anschließenden Diskussion, die mitunter recht hitzig geführt wurde, meldeten sich auch einige kritische Stimmen zu Wort. Vielfach wurde erwähnt, dass es ja nicht alle türkisch- und arabischstämmigen Migranten seien, eine Jurastudentin präsentierte sich als Gegenbeispiel. Eine andere Studentin sah sich als Beispiel für die Thesen Hameds, da ihr ihre Eltern verboten hatten, mit nicht-Migranten in Kontakt zu treten.
Hamed betonte daraufhin, dass es ihm um statistische Durchschnitte ginge, und natürlich lassen sich seine Thesen nicht auf alle Migranten übertragen.
Außerdem gab es die Frage, ob der Islam reformierbar sei. Hamed antwortete, dass Menschen reformierbar sind. Gruppen weniger, auch das eigene Kollektiv kann anti-aufklärerisch sein. Jeder entscheidet für sich selbst, wie viel Islam man in seinen Alltag lässt, sei es mit Kleider- oder Speisevorschriften.